Schwerte um 1900
Heimatliebe über die Kameralinse
1888 ist Schwerte eine aufstrebende Kleinstadt am östlichen Rand des Ruhrgebiets.
Der Anschluss an die Eisenbahn im Jahr 1867 und die sich daran anschließende Ansiedlung von Unternehmen wie die Nickelfabrik Fleitmann & Witte oder die Eisenindustrie Menden-Schwerte lassen das noch etwas verschlafene Ackerbürgerstädtchen zu einer bis dahin kaum geahnten Größe wachsen.
Mit den Arbeitsplätzen und der Einwohnerzahl nimmt zwangsläufig der Wohnungsbau zu und die gesamte Infrastruktur Formen an, die der Versorgung von viel mehr Menschen als jemals zuvor gerecht werden muss. Dazu gehören natürlich vor allem Geschäfte für Waren des täglichen Bedarfs, Dienstleistungs– und Handwerksbetriebe sowie gastronomische Angebote. Auch die Bedürfnisse der Ruhrstädter werden umfangreicher und zunehmend breiter gefächert.
Die Händler und Handwerker lassen sich in der Stadt zumeist in den neu errichteten Wohn- und Geschäftshäusern nieder, die in der Hüsingstraße, Bahnhofstraße oder der damaligen Hörder- und heutigen Rathausstraße entstehen. Altes weicht dafür oft den Neubauten. Schwerte wird schnell voranschreitend ein betriebsamer Ort.
Mitten in dieser Entwicklung kommt 1888 der Fotograf Carl Münkel mit seiner Familie nach Schwerte. Dass er nach seinen bisherigen Stationen die Stadt an der Ruhr auswählt, dürfte kein Zufall gewesen sein, sondern Ergebnis einer klugen Analyse des sich bietenden Marktes.
Dort wo es einen praktisch unaufhörlichen Zuzug von Menschen gibt, erscheint die Nachfrage nach Fotografien damals nur noch eine Frage der Zeit. Carl Münkel soll mit seiner Annahme Recht behalten. In Schwerte gründet er nicht nur „das älteste Atelier am Platze“, wie er selbst später einmal in einer Zeitungsreklame wirbt, und fotografiert in nahezu drei Jahrzehnten sicherlich Tausende Schwerterinnen und Schwerter, Alteingesessene wie Neuzugezogene. Carl Münkel wird, mehr noch, auch eine Art Chronist von Schwerte.
Bis heute prägen seine Fotografien der Stadt, von Straßenzügen, markanten Gebäuden, Hotels und Gastwirtschaften das Bild, das man sich von Schwerte um 1900 machen kann.
Carl Münkel gehört zugleich auch sehr schnell zu den anerkannten Geschäftsleuten und steigt in die Reihen der die Stadtgesellschaft prägenden Figuren auf.
Münkel senior ist Mitglied und wird eine Art Hoffotograf des Bürgerschützenvereins von 1436 sowie Schriftführer des Kriegervereins Schwerte und Umgebung und gehört damit den beiden zu seinen Lebzeiten größten und wohl bedeutendsten Vereinen an. Etliche Aufträge für Fotografien, die er von Gastwirten und Hoteliers erhält, zeugen von der Bedeutung seiner Person und seines Berufes in der Stadt. Es gibt praktisch keine Restauration in Schwerte und der näheren Umgebung, die Carl Münkel nicht ins rechte Licht gerückt hat.
Mit seinem beruflichen Erfolg ging sein wirtschaftlicher Aufstieg einher. 1896 lässt er sich, nach eher unzulänglichen Arbeitsräumen an der Ostenstraße und der Hörder Straße sein eigenes Atelier an der Bahnhofstraße, nahe dem heutigen Stadtpark, bauen.
In diese Fußstapfen tritt sein 1881 geborener Sohn Carl junior. Dieser lässt 1912 sogar ein noch viel größeres Wohn- und Geschäftshaus errichten, ebenfalls an der Bahnhofstraße. Das Gebäude gibt es im Gegensatz zu dem kleineren Atelierbau seines Vaters heute noch, es hat immer noch die Adresse Bahnhofstraße 26.